Bereits 2019, also vor der Pandemie, erfolgten in Deutschland mehr als 350.000 Behandlungen wegen ME/CFS. 2023 waren es 620.000. Das heißt: ein großer Anteil der Betroffenen hat ME/CFS nicht aufgrund von COVID-19, sondern aufgrund anderer Auslöser wie dem Pfeiffer-Drüsenfieber oder Influenza.

Dass es vor diesem Hintergrund Ambulanzen gibt und Off-Label-Medikamente geben soll, die exklusiv von Menschen mit Long-COVID-ME/CFS nutzbar sind – und für den anderen Teil der Betroffenen nicht – ist ein absoluter Skandal. Es gibt für diese Ungleichbehandlung keine (!) Rechtfertigung!

Egal, was einmal ihre Krankheit auslöste: Betroffenen mit den gleichen Symptomen steht die gleiche gesundheitliche und soziale Versorgung zu. Betroffenengruppen dürfen sich im Hinblick auf ihre Rechte niemals auseinanderdividieren und gegeneinander ausspielen lassen!

Sich gemeinsam für eine Versorgung sämtlicher Betroffener einzusetzen, ist auch im Interesse derer, die mit Long-COVID-ME/CFS derzeit von relativen Privilegien profitieren. Die Fokussierung auf die Versorgung von Long COVID hat keine medizinischen, sondern ausschließlich politische Gründe.

Mittelfristig bedeutet das: Sobald sich aus dem Thema kein öffentlichkeitswirksames Kapital mehr schlagen lässt, wird man die Long-COVID-Betroffenen eiskalt fallen lassen – sofern ihre Versorgung bis dahin nicht auf eine breitere, stabilere und medizinisch konsistente Grundlage gestellt wurde.

In Österreich gibt es nun eine Liste mit Off-Label-Medikamenten, die bei vorliegender Indikation von den dortigen Sozialversicherungen übernommen werden. Diese Liste ist vernünftigerweise auf postakute Infektionssyndrome inklusive ME/CFS ausgelegt – unabhängig vom Auslöser.

In Deutschland brauchen wir keine endlosen Evidenzrecherchen und unbegründete Bevorzugungen von Teilgruppen, sondern ebenfalls eine politische Initiative, die eine nach medizinischen Gesichtspunkten gerechtfertigte Versorgung für ALLE Betroffenen auf den Weg bringt. Es ist höchste Zeit!