Mehr Forschung zu postakuten Infektionssyndromen – aber wie?

Nur Projekte, die hohe Standards erfüllen, sollten Gelder erhalten

20.11.2025 | Autor: Waldmeer



Laut der deutschen Bundesregierung sollen über die kommenden zehn Jahre insgesamt 500 Millionen Euro für die Erforschung postinfektiöser Erkrankungen zur Verfügung gestellt werden. Diese Gelder müssen so eingesetzt werden, dass sie solides Wissen hervorbringen und den Erkrankten nützen. Was sollten die Vergabekriterien für neu finanzierte Forschungsprojekte sein? Eine Liste mit sechs Punkten:

 

1. Es darf keinerlei Geld für Studien geben, die "Aktivierung" und "Auftrainieren" bei ME/CFS und PEM "untersuchen" bzw. propagieren. Derartige Ansätze sind widerlegt – durch abgeschlossene Studien und durch die langjährige Erfahrung Betroffener. "Aktivierung" funktioniert nicht nur nicht. Sie schadet!

 

2. Studien über ME/CFS müssen ihre Proband*innen nach streng ausgelegten, einheitlichen Diagnosekriterien auswählen. Hierfür bieten sich die etablierten Kanadischen Konsenskriterien an. Die untersuchten Gruppen müssen je nach Forschungsfrage weiter nach Alter, Geschlecht, Schweregrad usw. eingegrenzt werden. Die Fukuda- und Oxford-Kriterien sind zu weit und daher untauglich für Diagnostik und Forschung.

 

3. Studien über Long COVID müssen ihre Proband*innen ebenfalls nach sehr eng definierten Kriterien auswählen. Long COVID allein ist als Oberbegriff meist zu breit für zielgerichtete Forschung. Es muss um klar umgrenzte Subgruppen gehen, die jeweils über eine Kombination von Eigenschaften definiert sind.

 

4. Es müssen in jeder Phase der Forschung Patient*innen eingebunden werden. Das Wissen von Betroffenen wurde in der Medizin generell und insbesondere bei ME/CFS sträflich vernachlässigt. Ohne die Expertise derer, die mit den im Blickpunkt stehenden Erkrankungen leben, bringt alles Geld der Welt nichts! Patient*innenbeteiligung ist kein optionaler Luxus, sondern konstitutiv für erfolgreiche Forschung.

 

5. Priorität sollten Studien haben, die sich a) mit den Spezifika der zu analysierenden Krankheitsbilder befassen und b) anwendungsorientiert sind, indem sie konkrete Perspektiven für die Behandlung eröffnen. Hierzu gehören etwa Studien zur Pathophysiologie von PEM und zur Therapie von PEM.

 

6. Speziell gefördert werden sollten Forschungsdesigns, die schwer und sehr schwer Erkrankten die Teilnahme ermöglichen. Diese Personen sind in bisherigen Studien zu ME/CFS und Long COVID drastisch unterrepräsentiert, obwohl sie zum Verständnis der Krankheitsbilder besonders wertvolle Beiträge leisten könnten. Telemedizinische und aufsuchende Verfahren sollten voll ausgeschöpft werden.



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