Belastungssteigerungen sind gefährlich
Für Long-Covid-Betroffene mit ME/CFS wird Pacing empfohlen
🗓️ 6.2.2024
Vorsicht, fragwürdige Aussagen zu Long Covid: Die Virologin Ulrike Protzer verschweigt die Schnittmenge von Long Covid und ME/CFS und empfiehlt "vorsichtige Belastungssteigerungen" als Behandlung. Belastungssteigerungen können ME/CFS-Betroffene jedoch anhaltend schädigen. Der Reihe nach:
Protzer spricht im Interview mit der Helmholtz-Gemeinschaft von Long Covid, ohne die Existenz von ME/CFS zu erwähnen. Ein Teil der Long-Covid-Betroffenen hat jedoch ME/CFS. Dessen Leitsymptom ist die "postexertionelle Malaise" (PEM), d.h. die Zustandsverschlechterung nach Belastung.
➡ Weitere Informationen zu PEM bei der Deutschen Gesellschaft für ME/CFS.
PEM ist so gefährlich, weil diese Zustandsverschlechterungen dauerhaft sein können. Wenn Protzer behauptet, im "ungünstigen Fall" würde man "drei Tage flach" liegen, ist dies daher eine Verharmlosung, die die Lesenden und Betroffenen in Unkenntnis über die tatsächlichen Risiken lässt.
Für Long-Covid-Betroffene mit ME/CFS ist vor diesem Hintergrund vor der Steigerung der Belastung, auch als "Graded Exercise Therapy" (GET) bezeichnet, zu warnen. Diese Warnung umfasst auch "begleitete", "kontrollierte" und "vorsichtige" Formen der Steigerung, wie Protzer sie nennt.
Der angemessene Ansatz bei ME/CFS ist demgegenüber das Pacing. Pacing sieht keine Steigerung der Belastung vor, sondern ein Energiemanagement unterhalb der persönlichen Belastungsgrenze. Das Ziel: Stabilisierung des Zustands durch Vermeidung von PEM.
Aufgrund der gesundheitlichen Gefahren raten Betroffenenverbände sowie Gesundheitsbehörden und Institute wie CDC (USA) und NICE (Großbritannien) bei ME/CFS von der Steigerung körperlicher Belastung ab. Sie empfehlen stattdessen das Pacing.
Fazit: Für eine Teilgruppe von Long-Covid-Betroffenen kann die Steigerung der Belastung hilfreich sein, für eine andere Teilgruppe – nämlich für die mit ME/CFS und PEM-Symptomatik – ist sie es nicht. Für die letztere Teilgruppe ist die Steigerung der Belastung eine Gefahr.
Ein von mir verfasster Kommentar, der auf diese Sachverhalte hinweist, wurde von der Helmholtz-Gemeinschaft nicht freigeschaltet. Auch auf wiederholte Nachfrage wurde die Veröffentlichung abgelehnt. Gut, dass sich Informationen heute durch ein solches Abblocken nicht unterdrücken lassen.
Es bleibt jedoch bedauerlich, dass die wissenschaftliche Helmholtz-Gemeinschaft in dieser Veröffentlichung so klar hinter dem Wissensstand zu Long Covid zurückbleibt. Long-Covid-Betroffene und alle, die sich mit Long Covid beschäftigen, haben fundierte und vollständige Informationen verdient.
Nachtrag 12.2.2024
Mittlerweile wurde mein Kommentar auf der Website der Helmholtz-Gemeinschaft freigeschaltet. In dem Interview wurden die fragwürdigen Aussagen zur Behandlung von Long Covid jedoch unverändert beibehalten.
Anhang
Link zu dem vollständigen Interview (Stand 5.2.2024):
https://www.helmholtz.de/newsroom/artikel/in-den-allermeisten-faellen-klingt-long-covid-wieder-ab/
Mein nicht veröffentlichter Kommentar zu dem Interview mit Frau Protzer:
Links zu den CDC- und NICE-Empfehlungen (Stand 5.2.2024):
https://www.cdc.gov/me-cfs/management/
https://www.nice.org.uk/guidance/ng206/chapter/recommendations
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