Der unverdiente Ruf
Das Buch "Psychology's Quiet Conservatism" analysiert die progressive Fehldeutung dieser Disziplin
🗓️ 5.11.2025
Ein weitverbreitetes kulturelles Missverständnis besteht darin, psychologische Deutungen von Krankheit von Haus aus für "progressiv" zu halten – in Abgrenzung zu einer kalten, "seelenlosen", auf das Körperliche reduzierten Medizin. Es ist an der Zeit, dieses Vorurteil zu korrigieren.
Zunächst einmal ist es in der Tat von großer Bedeutung, gesundheitliche Probleme in all ihren möglichen Dimensionen zu betrachten. Dabei stellt die Betrachtung des Psychischen einen potenziellen Baustein dar. Doch dieser verfügt gegenüber anderen Perspektiven über kein "progressives" Vorrecht.
Der Autor Brian Hughes zeichnet in seinem im Oktober 2025 erschienenen Buch nach, dass der Psychologie – anders, als der "progressive" Ruf dieser Disziplin es vermuten lässt – sogar Tendenzen innewohnen, die er als "konservativ" beschreibt – und zwar weit über die Medizin und die klinische Psychologie hinaus.
Ein verheerendes Beispiel für eine alles andere als fortschrittliche Wirkung ist die langjährige Fehldeutung der biologischen Krankheit ME/CFS als "psychisch". Hier trug eine bestimmte Form der Psychologie bzw. Psychologisierung zu schädlichen Behandlungen, zu mangelnder sozialer Unterstützung und zur Schuldzuweisung an die Erkrankten bei.
Hughes liefert eine scharfsinnige Analyse, welche Merkmale der Psychologie – etwas ein inhärenter Individualismus – ursächlich für derartige Fehlentwicklungen sind und den Missbrauch der Psychologie begünstigen. Ein wichtiger, lesenswerter Diskussionsbeitrag!
Anhang
Bildbeschreibung
Auszug aus dem Buch "Psychology's Quiet Convervatism":
"The dominant approach in academic psychology is to fetishise psychogenic theories of disease. This not only appeals to advocates of fiscal austerity, it also reinforces right-wing reluctance toward subsidising the unwell. Psychological ideas are welcomed by conservative opinion not least because they provide a means for debunking the benefit claims of the disabled."
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